Freitag, 5. April 2013

05.04.2013 - Frühling und Sagen

Jetzt ist der Frühling endgültig eingetroffen. Der Schnee schmilzt seit einer Woche vor sich hin und offenbart mittlerweile, wo die Wege langlaufen, zum Teil bin ich ernsthaft überrascht, dass die Flächen unter dem Schnee so anders aussehen, als ich dachte. Bei einer Fläche war ich fest überzeugt, dass da Gras drunter ist, aber es sind große runde Steine, eigentlich sehr schön. Und wer denkt, ich würde mal grün sehen – weit gefehlt, das Gras ist braun, und es stinkt fürchterlich nach Hundekacke, was vermutlich daran liegt, dass jetzt die gesammelten Bestände der letzten fünf Monate aufgetaut werden.

Ich denke intensiv über die Anschaffung von Gummistiefeln nach, denn bei den Pfützen und der Matsche (halb Schnee, halb Wasser) auf den Wegen helfen mir meine Schuhe zwar, aber über lange Wege auch nicht. Man geht ja auch nicht mit Wanderschuhen schwimmen. Frank ist auf einer Eisfläche neben einer riesigen tiefen Pfütze ausgerutscht, konnte sich aber fangen und meinte danach ganz trocken, er hätte fast die Badesaison eingeläutet.

Außerdem habe ich eine neue kleine Mitbewohnerin, die Lena heißt. Oder wenn man Frank fragt, heißt es Stupsel. Eingezogen an Ostern zusammen mit Unmengen von Süßigkeiten, aus Ellis Gepäck als blinder Passagier mitgereist und von meiner Freundin Gesa angefertigt. Jetzt nächtigt sie in meinem Bett und sitzt tagsüber zwischen meinem Dschungel auf der Fensterbank. Ich habe nämlich über die Zeit hier Petersilie, Spinat, Schnittlauch etc. in kleinen Töpfchen angeschafft, da es frisch immer sehr teuer ist. Die Fensterbank ist nicht so sehr breit, daher ist das der Alptraum von Marilena de Jalousien herunter zu lassen. Sie schmeißt schon mal (vorzugsweise nachdem der Putzdienst da war) ein oder zwei Töpfe runter. Dann putzen wir noch mal.



Ich habe übrigens Recherche für mein Essay in estnischer Kultur betrieben. Das soll so aussehen, dass ich einige interessante Fakten herausfinde, die in einen Text fasse und mit Bildern untermale. Die Plätze, über die ich schreibe, sollte ich selbst besucht haben und auch Beweisfotos machen. Ich habe mich für das allgemeine Thema „Sagen und Lieder“ entschieden, weil es hier so viele Geschichten gibt. Da wäre einmal die Geschichte über den Ülemiste-See, auf dessen Grund ein alter Gnom wohne soll, den die Tallinner Bürger aufgrund seines Aussehens verspottet haben. Er hat geschworen, die Stadt an dem Tag, an dem sie fertig wird, vollständig mit dem See zu überschwemmen, weswegen er jedes mal, wenn er an das Stadttor klopft, die Antwort bekommt, dass die Stadt noch nicht fertig sei. Deswegen ist Tallinn, die Stadt, die niemals fertig werden darf.
Der See ist übrigens unser Trinkwassersee...

Gesammelt wurden diese und andere Geschichten übrigens in dem Werk „Kalevipoeg“, dem Nationalepos. Und ein Mann namens „Jüri Kuuskemaa“ kennt diese Geschichten, lebt hier in Tallinn und erzählt sie den Menschen und schreibt sie auf, um sie zu erhalten, da „Kalevipoeg“ zu Entstehungszeiten der Zensur unterlag.
Soweit der Geschichtsteil.

Mein Estnisch macht auch Fortschritte, auch wenn ich nur einfache Sätze bilden kann, bin ich damit doch weiter als andere, die den Kurs ebenfalls belegt haben. Seit ich mich mit Kim (männlich) treffe und er mich in Estnisch fordert mit Aufgaben wie „Wie war es denn in Vilnius, erzähl doch mal was du gemacht hast.“ „Äääääh...“ kann ich ein einfaches Gespräch führen, wenn mir jemand die Wörter sagen kann, wenn mir welche fehlen. Andere Studenten, die keine privaten Übungsstunden haben bekommen das bisher nicht hin, da der Unterricht leider nur ein Basislevel abdeckt. Ich nerve die Esten in meiner Umgebung immer mit Fragen wie: „Du, ich hab hier was, wie sage ich das?“ Die meisten sind immer voll überrascht, dass man sich die Mühe macht, die Sprache zu lernen. Ist ja nicht gerade eine Weltsprache...

Im Moment grade riecht unsere Wohnung nach verbranntem Essen, Reis um genau zu sein. Griechen kochen viel mit Reis und der grade wurde zu lange nicht umgerührt. Macht aber nichts, wir hatten einige Naturkatastrophen in der letzten Zeit. Angefangen mit dem Abfluss der Dusche, der sich plötzlich weigerte, das Wasser durchzulassen, was zu einem Pool im Bad führte, über einen verstopften Abfluss in der Küche, der entleert wurde bis hin zu einer Überschwemmung im Schrank, weil der Mensch, der den Abfluss in der Küche repariert hat, vergessen hat die Dichtungen einzubauen. Das Ganze lief dann in unseren Mülleimer, füllte diesen, bis er überlief, den Schrank flutete und schließlich Marias Füße befeuchtete. Wir putzten länger daran. Tjaja, das alltägliche Leben...

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