Hinter mir liegt ein unglaubliches Wochenende in den
verschiedensten Gegenden von Estland und ganz besonders war Saaremaa – die größte Insel von Estland und nebenbei
die einzige Gegend, in der die Menschen einen Dialekt sprechen.
Los ging es am Freitagmorgen, zwei Autos hatten wir zu
diesem Zweck gemietet und mit Essen und Kleidung gefüllt. Das erste Ziel war
die Fähre, die sagenhafte 30 Minuten brauchte und uns auf Muhu abgeladen hat. Von
dort aus kann man ganz bequem über einen Steinwall auf Saaremaa fahren.
Wir hatten, wie man später auf dem Bildern sieht, wahnsinniges
Glück mit dem Wetter, weniger Glück mit den Straßen. So hatten wir auf dem
Hinweg das Vergnügen 3,22km (Ja, es war ein Auto voller Ingenieure, die das
nachgemessen haben) über eine nicht existente Straße zu gurken, die im
wesentlichen aus Schlaglöchern und Schotter bestand.
Ein paar Details zu Saaremaa: Auf 88 x 90 km, insgesamt 2.672 km²
wohnen 36.000 Einwohner, wer rechnen kann stellt fest, dass dort etwa 13
Einwohner pro Quadratkilometer wohnen. Sehr wenig. Man kann sich also denken,
dass man dort auf dem Land nicht besonders viele Menschen trifft.
Die einzigen Windmühlen in Estland finden sich auf Saaremaa und der Name
der Insel ist außerdem der Name einer estnischen Wassermarke, auf deren Etikett
die älteste Windmühle (600 Jahre) abgebildet ist. Nebenbei gesagt, auch der
billigste, daher am häufigsten getrunkene Wodka in Estland.
Die älteste Windmühle war dann auch unser erster Ziel, dicht
gefolgt von dem zweiten Ziel, der größten Windmühle, die zusammen mit anderen
Windmühlen und einigen traditionellen Werkzeugen und Fahrzeugen auf einem
Museumsgelände gezeigt wurden. Den horrenden
Eintritt von einem Euro zahlten wir gerne. Neben den Windmühlen erregten die
alten Traktoren besondere Aufmerksamkeit und motivierte einige vorrangig
männliche Studenten zu einem imaginären Traktorrennen.
Die weiblichen Mitglieder unserer Gruppe
wurden eher von den Holzpferden auf dem Gelände gefesselt…
Außerdem besuchten wir den einzigartigen Kaali
Meteoriidikraater, der einen Durchmesser von 110m aufweist und 22m tief ist. In
der Rangliste der Riesenkrater der Welt liegt der Kaali Krater an achter Stelle,
sehr beeindruckend für ein so kleines Land wie Estland. Um ihn ranken sich
viele verschieden Geschichten, die sich im Wesentlichen darum drehen, dass
Menschen für zügelloses, unmoralisches Leben bestraft werden. Wir haben ihn
einmal vollständig umrundet und dabei viele violette Blumen gefunden.
Nach dieser Besichtigung steuerten wir unsere Unterkunft an,
ein Haus an einem südlichen Zipfel, nahe Kuressaare. Der erste Rundgang durch
dieses Haus verschlug uns allen den Atem. Nicht nur, dass wir zu elf Studenten
fünf Badezimmer und viele Doppelzimmer hatten, nein, die Zimmer waren auch
riesig groß, ebenso wie die urgemütliche Küche und das Wohnzimmer. Außerdem
hatten wir eine Sauna und eine Feuerstelle außerhalb. Die Feuerstelle hatte
theoretisch auch noch Bänke und einen Tisch, praktisch gestaltete sich die
Nutzung sehr schwierig…
Nach einem ausgiebigen Barbecue mit improvisierten Grillrost wollten wir alle in die
Sauna, wie sich das in Estland gehört. die Temperaturregelung stellte uns vor einige Schwierigkeiten, die sprachlichen Probleme beim Nachfragen ebenfalls, denn unsere Vermieterin sprach nur Estnisch und Russisch. Wie schön, dass unter uns einige aus dem "Russisch für Anfänger"-Kurs sind und einige in "Estnisch für Anfänger". Nach einigen Minunten Telefonat fanden wir dann selbst heraus, wie es funktioniert. Doch das war nicht die letzte Überraschung des Abends: als bereits vier männliche Studenten darin saßen, wollte ich mich zu ihnen gesellen, erklomm die Stufen zur Sitzfläche, setzte mich - und spürte wie die Sitzfläche nachgab! Wir saßen auf einmal schräg und etwa 10 cm tiefer, da eine Ecke sämtliche Schrauben gesprengt hatte. Wir aber alle nicht doof (und wieder nur Ingenieure), organisierten ein Holzschiet, klemmten das ein und violà - alles wunderba! Der Abend dauerte sehr lange und brachte
sehr viel Spaß mit sich. Trotzdem brachen wir am nächsten Morgen recht früh in
Richtung Kuressaare auf. Dort besichtigten wir ein altes Schloss und wanderten
durch die Stadt, um danach die Fähre zu erwischen.
Ein Auto kehrte dann zurück nach Tallinn, unser Auto steuerte auf dem Festland einen
kleinen Ort etwa 100km westlich von Tallinn an. Dort wartete ein deutlich
kleineres Haus auf uns, das direkt am See lag. Verträumt mitten im Wald gelegen
brauchten wir ein langes Telefonat und einen guten Rückwärtsgang um das Haus zu
erreichen. Der Schlüssel steckte. Wir genossen dann noch die letzen
Sonnenstrahlen und kuschelten uns auf dem Sofa zurecht um den Rest des Abends
mit Spielen zu verbringen. Optimistisch, wie die Esten sind, fanden wir auf der
Terrasse vor dem Haus einen Tisch und Stühle, die mit Kissen belegt waren.
Dafür war es jedoch zu kalt.
Diese Meinung änderte sich am nächsten Tag, als wir die
Umgebung erkundet haben. Nach einem wunderschönen Spaziergang durch den grünen
Wald auf einem improvisierten Weg
(Sägemehl, Paletten und Holzbohlen) steuerten wir geradewegs auf das
baltische Meer zu – das zu unserer grenzenlosen Überraschung an dieser Stelle
nicht gefroren war.
Daher kann Estland mittlerweile nicht mehr leugnen, dass der
Frühling angefangen hat. Langsam aber sicher sieht man ja auch Schmetterlinge,
hört Vögel und sieht grüne Pflanzen und kann ab und an darüber nachdenken, die
Winterjacke auszuziehen. Oder eben ein wenig mehr…
Zwar konnte man die Füße dank etwa 4°C nicht mehr spüren,
aber was soll’s, die Außentemperatur lag ja bei etwa 12°C.
Später habe ich dann
auch noch im Bikini in der Sonne gelegen, wobei ich vorteilhaft fotografiert
wurde. Im Gegensatz zu dem Specht, der permanent nah vor unserem Fenster
gearbeitet hat, aber sobald man die Kamera in der Hand hatte, war er weg. War
aber ein ganz schöner, mit einem roten Schopf.
Bei dem folgenden Bild achte man besonders auch den Hintergrund. Willkommen im estnischen Sommer!
Den heutigen Tag gurkten wir dann durch die Gegend. Und weil
in Tallinn ja nichts weit weg ist, besuchten wir nebenbei noch den „Tuhala
nõiakaev“, den Hexenbrunnen. Da er im Frühling überläuft, dachten die Esten
bis vor einhundert Jahren, dass dort, auf dem Grund des Brunnens, eine Hexe
wohnte, die den Brunnen zum Überlaufen bringt. Auch eine Erklärung, logischer
ist allerdings, dass der Regen und der geschmolzene Schnee dieses Phänomen
verursachen.
Egal, wie man es sieht, es ist ein interessantes Bild…
Der letzte Punkt auf der Etappe war dann der „Jägala juga“,
der Jägala-Wasserfall, der größte Wasserfall in Estland. Irgendwie putzig, denn
so groß ist der nicht. Aber die Esten sind stolz drauf, denn als wir dort
ankamen, standen etwa 50 Menschen drum herum. Ich habe es trotzdem geschafft,
einige Bilder zu schießen. Dann war die Speicherkarte fast voll…
…und die letzten Bilder wurden von hübschen Straßenschildern auf der Heimreise
gemacht.